6. Leiharbeit gefährdet das Streikrecht

Das Einzige, was die abhängig Beschäftigten haben, um ihre Interessen gegen die Unternehmer zu verteidigen, ist das  gemeinsame Handeln. Das ist gefährdet, solange den Unternehmen das Recht eingeräumt wird, neben Stammarbeitskräften Leiharbeitskräfte einzusetzen. Insbesondere gefährdet der Einsatz von Leiharbeitskräften eine wirksame Ausübung des Streikrechts[1].

Auch nach den 2016 beschlossenen Änderungen  des AÜG ist es dem Entleiher nicht verboten, Leiharbeiter in einem bestreikten Betrieb einzusetzen. Dem Entleiher ist es nur verboten, einen Leiharbeiter für Tätigkeiten einzusetzen, „die bisher von Arbeitnehmern erledigt wurden, die

1. sich im Arbeitskampf befinden oder

2. ihrerseits Tätigkeiten von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben“[2].

Für Leiharbeiter, die nicht unter dieses Verbot fallen, bleibt es bei der schon bisher  geltenden Regelung: Sie müssen selbst entscheiden, ob sie ihr Recht auf Leistungsverweigerung wahrnehmen wollen[3] und machen in der Regel wegen Angst vor Repressalien von diesem Recht keinen Gebrauch[4]. Das gefährdet eine wirksame Ausübung des Streikrechts, und zwar umso mehr, je mehr Leiharbeiter in einem Betrieb schon vor Arbeitskampfbeginn eingesetzt wurden. Je mehr Leiharbeiter in einem Betrieb arbeiten umso schwerer wird es für die Stammarbeiter, diesen Betrieb im Arbeitskampf zum Stillstand zu bringen.

Wenn Unternehmer  einwenden,  ein vollständiges Einsatzverbot von Leiharbeitern in einem bestreikten Betrieb zerstöre die Kampfparität[5], dann kann man nur erwidern: Die Kampfparität haben die Unternehmer durch die Einstellung von Leiharbeitskräften selbst zerstört.


[1]                             Das Streikrecht ist Ausdruck der Koalitionsfreiheit, die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist; das Streikrecht ist ein Grundrecht

[2]                             § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG n.F..

[3]                             Leiharbeiter, deren Einsatz dem Entleiher nicht verboten ist, sind „nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist“ § 11 Abs. 5 Satz 3 AÜG n.F.. Der DGB (schriftliche Stellungnahme des DGB in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales v. 13. Oktober 2016 18. Wahlperiode Ausschussdrucksache 18(11)761, S. 18) erinnert an den ursprünglichen Referentenentwurf der Arbeitsministerin Nahles, der in § 11 Abs. 5 die einfache Regelung enthielt: „Der Entleiher darf Leiharbeitnehmer nicht tätig werden lassen, soweit sein Betrieb unmittelbar betroffen ist“. Diese Regelung wie auch mehrere andere Regelungen des Referentenentwurfs wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gekippt; die massive Einflussnahme der Unternehmer, Verleiher und Entleiher, ist unübersehbar. Der DGB hebt hervor, dass die gegenüber dem Referentenentwurf abgeänderte Regelung “in einer komplexen Arbeitsorganisation überhaupt nicht praktikabel ist (Beispiel: Im Falle von Arbeitsniederlegungen bei Amazon lässt sich gar nicht feststellen, welche Arbeiten von den Streikenden ohne Streik erledigt worden wären und welche nicht). Außerdem wird  ein Verstoß in vielen Fällen nur sehr schwer nachzuweisen und nur mit Unterstützung der Arbeitnehmer/innen möglich sein, die dann ggf. auch vor Gericht gegen ihren Arbeitgeber aussagen müssten (Beispiel: Bei der Deutschen Post AG wurde bekannt, dass im einstweilgien rechtsschutzverfahren benannte Zeug/innen unter Druck gesetzt wurden)“. Der DGB bemängelt auch, dass die neue Regelung nicht für die Konzernleihe gilt und die Sanktionen zu schwach sind.              

[4]                             schriftliche Stellungnahme des WSI in: Ausschussdrucksache 18(11)750 S.69

[5]                             So der BDA in seiner schriftlichen Stellungnahme v. 12.10.2016 Ausschussdrucksache 18(11)740 S. 36.

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